„Ich wäre dankbar für jede finanzielle Unterstützung“

Während bei uns Lockdownregeln diskutiert und als überaus hart erachtet werden, ringt man in Simbabwe seit Beginn von Corona mit wirklich existentiellen Problemen: Armut, Hunger und der Frage, wie es weitergehen kann. Es lohnt sich, aus der der wohlversorgten Schweiz in ein Land zu schauen, das ums Überleben kämpft.

„Die Gesundheit der Schüler/innen und Lehrpersonen hatte erste Priorität“ Interview mit Vongai Masunda, Schulleiterin Mpumelelo

Was war für Dich persönlich die grösste Herausforderung seit dem Lock-down aller Schulen im März?

Die teilweise Öffnung der Schule im Juni für Abschlussprüfungen war ein Riesenstress. Wir hatten grossen Respekt vor dem Kontakt mit den Kindern, den Eltern und Prüfungskandidaten, die Hilfe brauchten. Sie hätten sich auf die Prüfungen vorbereiten müssen, hatten aber keine Gelegenheit dazu. Einige Eltern hatten auch Schwierigkeiten, die Prüfungsgebühren zu bezahlen und ich musste alles tun, was möglich war, um sie zu ermutigen, die Mittel für die Prüfungen ihrer Kinder irgendwie zu beschaffen.

Wie kannst Du mit all diesem Druck umgehen?

Wir mussten alle nach kreativen Lösungen suchen, um zu überleben und den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten. Wir hatten nicht genug Zeit, um einen Lebensmittelvorrat für unsere Familie anzuschaffen. Wegen des Wertezerfalls der Landeswährung wurden Grundnahrungsmittel extrem teuer. Ich musste deshalb anfangen, mein eigenes Gemüse im Garten anzubauen und persönliche Gegenstände verkaufen, um an Bargeld zu kommen. Trotz all diesen Schwierigkeiten glauben wir aber daran, dass Gott einen guten Plan für unser Leben hat.

Was tust Du, um weiterhin jungen Menschen zu helfen?

Wir haben zusammen mit der Schulentwicklungskommission, dem Personal der örtlichen Gesundheitsklinik, der Gemeinschaft und verschiedenen Entwicklungsorganisationen Lösungen für die Lernenden entwickelt. Dazu zählte beispielsweise die Verteilung von Lebensmitteln an die Lernenden. Beratung und Schulung in Life Skills, Einstellungen zu Bildung, Verhaltensänderung, Unterstützung von Studiengruppen beim Selbststudium und Organisation von Lernmaterialien über die Lehrpersonen.

Wie gehen die Lehrpersonen mit der Kürzung ihres Gehalts aufgrund des Währungszerfalls um?

Für einige ist es schwierig, vor allem, wenn sie bereits ein Gesundheitsproblem haben. Die meisten überleben mit Tauschgeschäften und dem Verkaufen von persönlichen Gegenständen. Einige gingen in die Goldminen, obwohl das illegal ist, andere starten eine Hühnerzucht oder schlagen sich mit Hilfsjobs durch.

Welche Konsequenzen haben die COVID-Einschränkungen für die Studierenden und ihre Familien?

Die Situation für die meisten Familien in unserer Gegend wurde unerträglich. Der für die meisten Familien lebenswichtige Handel wurde beeinträchtigt. Es gab keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr, private Transportgebühr wurde sehr teuer. Die Kluft zwischen den sozialen Klassen wurde grösser, die Armen werden ärmer und die Reichen reicher. Auch diejenigen, die auf Kinder oder Verwandte in der Diaspora angewiesen sind, wurden hart getroffen. Viele arme Familien wurden missbraucht, z.B. für Kinderarbeit. Einige Studierende gingen in den illegalen Bergbau und den Goldabbau. Ein Schüler der Klasse 5 ist jetzt Ladenbesitzer in Mpumelelo. Einige Familien waren nicht in der Lage ihre Grundbedürfnisse zu decken und die nötigen Gebühren für die Bildung zu bezahlen. Da die Schulen geschlossen waren, hatten die Kinder keinen Zugang zu unseren Bildungsmaterialien. Da die meisten Lernenden zu Hause keine Mobiltelefone, kein Netzwerk, kein Signal für Fernsehen oder Radio haben, konnten wir sie nicht erreichen.

Wie hast Du die Studierenden während der Prüfungszeit im Juni und beim Semesterstart der Klassen 5+6 im September unterstützt?

Wir haben etwa 190 Schüler/innen der 3. und 4. Klasse sowie 20 Studierende der 5./6. Klasse unterstützt. Für die Prüfungen haben wir den Studierenden Zugang zum Internet und zum Lernmaterial auf dem Server organisiert. Wir schafften mehr als 75% Anwesenheit bei Klasse 4 und fast 85% bei Klasse 6.

Wir mussten pro Schüler/in drei Masken bereitstellen, Seife, Desinfektionsmittel für alle Anwesenden und die Klassenzimmer. Ich habe das Screening, die Desinfektion und die Überwachung der Studierenden und die Aufzeichnung der Temperaturen am Anfang allein durchgeführt, später hat mich die lokale Klinik unterstützt. Die Gesundheit der Schüler/innen und Lehrpersonen hatte erste Priorität.

Die größte Herausforderung war, dass wegen des Streiks nur ein Lehrer und ich an der Schule waren. Wir haben aber nie aufgegeben und immer wieder Studierende ermutigt, zu kommen. Nach drei Wochen sind zusätzliche 5 (von 28) Lehrpersonen an die Schule gekommen.
Wir haben damit begonnen, den Schüler/innen mindestens zwei Mahlzeiten pro Woche zu geben.

Was sind die Pläne für die nächsten Wochen?

Ich erwarte, dass die Lehrpersonen nach dem Streik wieder alle zurückkommen werden – mit Ausnahme derer, die versetzt wurden. (Anmerkung Urs: zurzeit sind Schüler/innen aus allen Klassenstufen und insgesamt 10 Lehrpersonen an die Schule zurückgekehrt, die allerdings nicht alle unterrichten.)

Wir planen eine massive COME BACK TO SCHOOL-Kampagne, nachdem die meisten Lehrpersonen wieder unterrichten. Die meisten Studierenden werden wiederkommen, auch wenn es einige Aussteiger geben könnte, unter anderem aufgrund von Schwangerschaften, Wegzug, ökonomischem Druck oder Heirat.

Wir werden unsere bewährte Unterstützung der Schüler/innen und Lehrpersonen weiterführen, von der Beratung über die Verpflegung und Hygienemassnahmen bis zur Weiterbildung und Support für Lehrpersonen. Zusätzlich werden wir mit den Lehrpersonen Aufholstrategien entwickeln, versuchen die nötigen Stühle und Schulbänke zu beschaffen und Projekte zur Stärkung der Gemeinschaft wie Gartenbau- und Landwirtschaftsprojekte zu lancieren. Wir werden dies mit der lokalen Gemeinschaft entwickeln und Studierende ermutigen in «Clubs» zu versuchen als Entrepreneure Grundnahrungsmittel und ein kleines Einkommen zu generieren, z.B. mit Permakultur, einem Nähatelier oder Kleintierzucht.

Wie können wir Dich bei der Umsetzung der Hilfsmassnahmen am besten unterstützen, die Du planst?

Ich werde zum Schutz der älteren Lehrpersonen und zur Einhaltung der Richtlinien des Bildungsministeriums verschiedene Einrichtungen anschaffen müssen und bin jetzt dabei, verschiedene Angebote zu vergleichen. Da wäre ich sehr dankbar für jede finanzielle Unterstützung, da wir dafür kein Budget haben und viele Eltern schon mit der Bezahlung der Schulgebühren Schwierigkeiten haben.

Für die Schüler/innen brauchen wir noch mehr Leselampen, um Hausaufgaben am Abend zu ermöglichen (USD 20 pro Lampe)

Ich wäre froh um einen Beitrag an meine zusätzlichen Reisekosten zu Partnerschulen, Einkäufe für die Schule, Treffen mit Inspektoren und regionalen Gruppen, die ich nicht mit dem Inspektorat abrechnen kann.

Für Gesundheitsvorsorge für Lehrpersonen und Schüler/innen fehlen uns die Finanzen für folgende Massnahmen:

  • Handseife, Desinfektionsmittel und Reinigungsmittel (USD 60 pro Woche)
  • Stühle und Schreibtische, um die Abstandsregeln einhalten zu können. Zurzeit sitzen bis zu 5 Studierende an einem Schreibtisch (etwa USD 50-70 pro Tisch&Stuhl)
  • Bewegliche Tafeln für Klassen, die aufgrund des Mangels an Klassenzimmern ausserhalb der Klassenräume werden lernen müssen. (etwa USD 100-150 pro Tafel)
  • Schutzwände, um die Ansteckungsgefahr zwischen Studierenden und Lehrpersonen zu reduzieren. (Kosten: insgesamt etwa USD 700 für die ganze Schule)

Zudem müssen wir die Umzäunung des Schulgeländes verbessern, um Eindringlinge abzuhalten. Ein besserer Schutz des Schulgeländes ist dringend nötig. Bei Einbrüchen geht immer viel kaputt und die Sicherheit der Schüler/innen ist gefährdet (USD 7 pro Meter, Ziel 2020: 200 Meter)

Vielen Dank für das Gespräch, Vongai!

18. November 2020, Urs Gröhbiel


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